Zwischen Vertrauenskrise und synodalem Aufbruch

Weltbischofssynode Oktober 2023

Zwischen Vertrauenskrise und synodalem Aufbruch

Während ich diese Kolumne verfasse, laufen die letzten Vorbereitungen für die Synode, die Anfang Oktober in Rom beginnt und an der ich als Frau und Delegierte des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen teilnehme.

Gleichzeitig steht das Thema des sexuellen Missbrauchs und seiner Vertuschung durch die Kirchenleitung im Zentrum der Aufmerksamkeit. Es ist viel von verlorenem Vertrauen, von Krise, von Kirchenaustritten und von Massnahmen zur Bekämpfung von Missbrauch und Vertuschung die Rede.

Natürlich wäre es einfacher, von kirchlichen Neuaufbrüchen in der Schweiz beflügelt an der Weltsynode teilzunehmen, als mit der Sorge nach Rom zu reisen, ob es gelingen wird, aus Fehlern zu lernen und zu einem Kultur- und Strukturwandel beizutragen.

Noch steht keineswegs fest, dass die synodale Umkehr gelingt: Geschwisterlichkeit statt Klerikalismus; Inklusion statt Diskriminierung; echte Mitverantwortung statt einsamen hierarchischen Entscheidungen; geteilte statt missbrauchter Macht; kulturelle und theologische Vielfalt statt Zentralismus; Taten der Gerechtigkeit statt schöner Worte.

Immerhin beginnt die Synodenversammlung in Rom nicht bei Null. Zwei Jahre Vorbereitung an der Basis, in den Bistümern und Bischofskonferenzen und auf kontinentaler Ebene haben gezeigt: Was uns in der Schweiz beschäftigt, beschäftigt andere auch. Und gleichzeitig haben sie uns für Themen sensibilisiert, die in unserer stark mit sich selbst beschäftigten Kirche oft zu kurz kommen: Der Einsatz für eine gerechtere Verteilung der materiellen Lebensgrundlagen, die Sorge um die Zukunft unseres Planeten, der Kampf gegen Korruption und Ausbeutung. Synodal, also gemeinsam auf dem Weg Kirche sein, das heisst auch, ob der eigenen Sorgen jene der anderen nicht zu übersehen.

Zudem hat diese intensive Vorbereitungszeit dafür gesorgt, dass immer deutlicher geworden ist: Kirchenreform und Einsatz für eine gerechte, lebenswerte Welt bedingen sich gegenseitig. Denn die Kirche kann nur das kraftvoll und glaubwürdig nach aussen vertreten, was sie im Inneren lebt.

Und noch etwas hat sich auf dem bisher zurückgelegten synodalen Weg gezeigt: Synodal Kirche zu sein und immer mehr zu werden, ist ein Prozess, der beides braucht: die Ungeduld, damit Veränderungen wirklich in Gang kommen, und die Geduld, damit diese Veränderungen nicht oberflächlich bleiben, sondern zu «radikalem» und nachhaltigem Wandel führen, der an die Wurzeln und in die Tiefe geht. Und einen solchen radikalen Wandel braucht es, wenn der Weg zu mehr Synodalität für die Kirche in der Schweiz auch zum Weg durch die Krise und über die Krise hinaus werden soll.

Text: Helena Jeppesen-Spuhler