Göttliches ohne Kirche

Editorial

Göttliches ohne Kirche

Der Geist von Pfingsten schenkt dem Christentum die grosse Öffnung zur Welt hin. Die Konsequenz: Göttliches wahrzunehmen ist nicht länger ein Privileg der Eingeweihten.

Nach den ersten Schaffhauser Kulturtagen vom 15. bis 18. Juni bin ich einmal mehr davon überzeugt, dass die Kirche kein Monopol für das besitzt, was sie «Eucharistie» nennt.

«Eucharistie» bedeutet wörtlich übersetzt «Dank sagen». Gemeint ist damit in der Kirche die Dankbarkeit gegenüber Gott, gegenüber Jesus, gegenüber dem Heiligen Geist. Ich erlaube mir aber, diese Dankbarkeit auch ganz allgemein als Dankbarkeit dem Leben gegenüber zu empfinden.

Und davon war ich an den Kulturtagen durchdrungen. Es hat mich gerührt, wie viele Menschen entspannt, fröhlich, begeistert Kultur in aller Vielfalt genossen haben. Wie das Publikum sich gwundrig auf verschiedenste Angebote eingelassen hat und sich dadurch so bunt gemischt hat wie selten sonst. Was für eine Energie die Stadt an diesen Tagen ausstrahlte! Kultur konnte damit etwas einlösen, was sie gerne von sich behauptet: Menschen zusammenbringen.

Meine Dankbarkeit für diese beglückenden vier Tage geht besonders tief, weil ich die Kulturtage anderthalb Jahre lang intensiv mit vorbereiten durfte. Nicht nur im Publikum, auch unter den Künstlerinnen und Künstlern und all den vielen Helferinnen und Helfern spürte ich, dass hier etwas Grosses geschah, dass hier Gemeinschaft gestiftet wurde.

Wie das möglich wurde, kann ich mir letztlich nicht erklären. Und genau in dieser Unerklärlichkeit glaube ich an die Präsenz Gottes.

Text: Thomas Binotto