Musik zum Frieden

Editorial

Musik zum Frieden

Was kann Musik? Tatsächlich sehr viel. Zum Beispiel, einen beim Zuhören friedlicher machen. Oder innere Räume eröffnen, an denen die sogenannte Seele wohnen kann.

Während mich die Eilmeldung vom Drohnen-angriff des Iran auf Israel erreichte, wollte ich eigentlich darüber nachdenken, wie Musik zum Frieden beitragen kann. 

Unmittelbar entsteht ein Bild in mir: Ich als Ministrantin beobachte das Wiener Domorchester und vor allem: Ich höre es, bei einer der unzähligen Orchestermessen.

Ich war nicht der Musik wegen Ministrantin geworden und während ich sie anfänglich vor allem «lang» empfand, dauerte es nicht lange, da geschah etwas mit mir. Im Rückblick meine ich, die Musik hätte gewissermassen einen Raum in mir geöffnet. Wahrscheinlich, so sehe ich es heute, war es sogar ganz grundsätzlich die Musik, die in diesen grossen Liturgien diesen inneren Raum in mir geschaffen und kultiviert hat, und dann erst die Worte und Handlungen. Dieses Innere empfinde ich als so etwas wie meinen Seelenraum.

Heute sehe ich um vieles mehr, was tobt und streitet auf unserer Welt, und damals war es bloss meine kleinere Welt. Doch der Moment, ganz da zu sein, aufzugehen in diesem Klangraum, mitzugehen mit den Emotionen, die wie Wogen hin- und hergehen in der Musik, dieser Moment war Frieden. Heute sind mir Konzerte nicht selten Gottesdienste: Weil sich mein innerer Raum auftut, in dem ich mich wieder als Teil des Grösseren erlebe. Und heute ist es nicht ausschliesslich geistliche Musik, die ich zu dieser Erfahrung brauche.

Ich glaube, Musik kann friedlicher machen. Was wiederum einen Unterschied macht, wie ich auf das reagiere, was gerade passiert.

Leserbrief

Danke für die schöne Ode an die Musik! Dass Musik uns von klein auf begleitet, wird niemand bestreiten, aber dass sie uns auch prägt, braucht Selbsterkenntnis. Auch ich war Ministrant, aber nicht im Wiener Stephansdom, sondern in der Kapelle des alten Theodosianumspitals am Klusplatz, wo keine Orchestermessen stattfanden. Geblieben ist mir die Melodie eines Refrains, den die Schwestern damals sangen: «Rette mich / vor den bösen Menschen, / schütze mich / vor dem Mann der Gewalt!» (Ps 140,2)

Wie habe ich als Bub diesen Hilferuf interpretiert? Die Ingenbohlerinnen kamen mir nicht schreckhaft vor oder ängstlich. Eher liebenswürdig-wehrhaft und im Rudel. Ohne das so zu formulieren, pflanzte sich bei mir möglicherweise eine Art Furchtlosigkeit aus Gottvertrauen ein? Oder ein Bewusstsein für die Gefahr, mit dem Sicherheit erzeugt wird?

Die passenden Begriffe muss ich jetzt zusammensuchen. Es ist nicht leicht, über Musik zu sprechen, oder über Gefühle. Wenn ich lese, fällt mir auf, dass sich ein Text, ein Buch quasi in Musik verwandeln kann, fast besser als umgekehrt. Als ich vor vier Jahren «Sodom» von Frédéric Martel las, rollte sich dieses ebenso spannende wie bedrückende Buch über die Doppelmoral im Vatikan wie ein mehrsätziges musikalisches Werk mit deutlichen Rhythmus-, Tempo- und Tonartwechseln zwischen meinen Ohren aus. Und der durch diese «Musik» erzeugte Begriff, den ich also fühlte, war «Wahrheit». Wahrheit als komplexer Klang in meinem Seelenraum. Kein strahlender Dur-Akkord natürlich.

Zeno Cavigelli, Seelsorger in Volketswil

Text: Veronika Jehle