Frieden hinterlassen

Editorial

Frieden hinterlassen

Gibt es Menschen, die Frieden hinterlassen? Seit ihrer Kindheit hört Veronika Jehle in der Messe den Satz von Jesus: «Frieden hinterlasse ich Euch», und versteht nach und nach, was er meinen könnte.

Babies lassen sich regulieren. Wenn sie brüllen, hilft es ihnen, wenn sie ihren Körper und ihre eigenen Grenzen spüren. Das beruhigt.  

Erwachsene können das tun: das Baby sicher in die Arme nehmen, seine kleinen Armen und Beine wieder näher zum Körper bringen. Als ich Spitalseelsorgerin war, durfte ich das manchmal auf der Neonatologie beobachten: Wie Eltern lernen, mit ihrem Kind umzugehen. Wie das Wissen hilft – wie es aber gleichzeitig auch keine Rezepte gibt, die immer und bei jedem funktionieren.

Auch Erwachsene lassen sich regulieren. Unter Freunden, in der eigenen Familie, in den Gruppendynamiken beim Arbeiten: Ich beobachte, dass es Menschen gibt, die Situationen beruhigen, die Spannungen lösen können, die Emotionen einen Raum geben, sodass sie sich auch wieder legen. Mir wird das manchmal erst bewusst, wenn diese Person dann den Raum verlässt. Nach und nach nehmen die Chaoskräfte wieder zu, das gegenseitige Verstehen kostet mehr Kraft, Konsens oder gar Lösungen werden harziger zu erreichen.

Umso mehr ich diese Dynamiken spüre und wahrnehme, umso mehr wird mir darin auch meine eigene Verantwortung bewusst. Ich kann Öl ins Feuer giessen – ich kann im Gegenteil zur Regulierung beitragen und damit zum entspannten, zufriedenen Miteinander.

Als ich selbst noch ein kleines Kind war, wunderte ich mich in der Messe oft über diesen Satz von Jesus: «Frieden hinterlasse ich Euch». Ich konnte mir nicht vorstellen, was das heissen soll. Mir scheint, schön langsam bekomme ich eine Idee.

Text: Veronika Jehle