Starke Töchter Evas

Kultur

Starke Töchter Evas

Acht lebensgrosse Porträts biblischer und frühchristlicher Frauen zeigen ­weibliche Stärke auf dem Hintergrund ihrer Kultur und Lebenswelt. Gemalt hat sie die Künstlerin Katarina Kliestenec.

Ernsthaft, manchmal herausfordernd, aber immer aufrecht und mit klarem Blick schauen die Frauen von den Bildern an den rotbraunen Backsteinwänden im hohen, einladenden Kirchenraum Saatlen. Die grossformatigen Bilder der Zürcher Künstlerin Katarina Kliestenec drücken die «Suche nach der Stärke des Weiblichen in einer Welt, in der das Männliche vorherrscht», aus. Sie hat die Bilder 1996 als Abschlussarbeit nach ihrem Studium der Malerei in Bratislava erstmals ausgestellt. «Für mich waren diese Frauen eine Art Rebellinnen», sagt die heute 54-Jährige.  «Sie zeigen, dass das Christentum ein neues, gleichberechtigtes Menschenbild mit sich brachte, auch wenn die Kirchengeschichte sich anders entwickelt hat.» Gemalt hat sie die biblischen Frauen Eva, Maria, Marta und Maria Magdalena sowie Veronika, Agnes, Katharina und Jeanne d’Arc aus der  Frühkirche. «Sie waren gleichberechtigt, haben gepredigt, wundersam geheilt oder Menschen angeführt wie die Männer», sagt Kliestenec. Die Ausstellung brauchte anfänglich Mut, «denn während meines Studiums war die naturgetreue, figürliche Malerei verpönt.»

Dass diese Bilder nun erstmals in der Schweiz ausgestellt werden, hat seinen Grund in der Begegnung der Künstlerin mit der Pfarrerin Hanna Kandal. Nach ihrer Predigt über  Katharina von Alexandrien sagte ihr Kliestenec, sie habe diese Frau gemalt. «Darauf wollte Hanna alle Bilder sehen», schmunzelt Kliestenec. «Mir war sofort klar, dass ich mit diesen Bildern eine Ausstellung realisieren möchte», sagt Hanna Kandal. «Ich fand es unglaublich, wie präsent die Frauen sind, so plastisch und lebendig.» Kunstausstellungen sind in der reformierten Kirche Saatlen Tradition, und mit diesen Bilder wollte die bald pensionierte Pfarrerin ihre letzte Ausstellung realisieren. «Was mich fasziniert, ist die Suche von jeder dieser Frauen nach einem guten Zusammenleben der Menschen in ihrer Zeit, nach einer guten Form der Beziehungen zwischen den Geschlechtern, in der Gemeinschaft, zu Gott. Dafür sind sie hingestanden, wurden zum Teil auch verfolgt und umgebracht.»

Das Echo auf ihre frühen Bilder sei heute stärker als damals, sagt Kliestenec. Einerseits sei man in Bezug auf die Kunst weniger dogmatisch: «Verschiedene Stile sind heute wieder salonfähig», sagt sie. Auch das Frauenthema sei heute wieder stärker im Vordergrund, «leider sind weltweit gesehen Frauenrechte eher wieder bedroht.»

Eröffnet wird die Ausstellung mit einem eigens dafür von der Gastkünstlerin Tatiana Hromkovicová geschaffenen Bild, das eine Verkündigungsszene von Fra Angelico zur Vorlage hatte. «Der Engel steht Maria auf gleicher Höhe gegenüber, ja verneigt sich leicht vor ihr», erklärt Kliestenec. «Dieses Bild bringt die Ebenbürtigkeit zum Ausdruck, um die es mir in allen Bildern geht.»

Text: Beatrix Ledergerber