Keine Zuversicht ohne Krisenbewältigung

Editorial

Keine Zuversicht ohne Krisenbewältigung

Hunderttausende junge Menschen jubeln Papst Franziskus beim Weltjugendtag zu. Wie geht das mit der Kirchenkrise zusammen? – Nur wenn man sich vom einen nicht blenden und vom anderen nicht entmutigen lässt.

«In Lissabon habe ich eine junge Kirche gesehen, die die Zeit der Prüfung bereits ein Stück weit hinter sich gelassen hat oder zumindest zuversichtlich ist, sie zu überwinden.» Das sagte mir ein Bekannter, der selber am Weltjugendtag als Mitorganisator einiger Anlässe dabei war.

Sicher, es tut gut, junge Menschen zu sehen, denen der Glaube wichtig ist, die beten, sich freuen und auch Schwierigkeiten nicht ausblenden, wie der eindrückliche Kreuzweg mit dem Papst zeigte. Trotzdem musste ich lange über diese Aussage meines Bekannten nachdenken. Und kam zum Schluss: Diese jungen Menschen mögen die Krise der Kirche in diesen Tagen etwas ausgeblendet haben und durften das Lebendige und Kraftvolle des Glaubens erleben – was gut und notwendig, ja unabdingbar ist. Aber: Sie haben die Krise sicher nicht hinter sich gelassen, auch nicht «ein Stück weit». Im Gegenteil: Sie haben sie vor sich. Wenn wir, die Generation ü40 – die Kirchengemeinschaft als Ganzes und insbesondere die Kirchenleitenden –, diese aktuelle Krise nämlich nicht lösen, werden wir sie als Erbe an die heutige Weltjugendtag-Generation weitergeben – und es wird sie mit voller Wucht treffen.

«Fürchtet euch nicht!», hat der Papst den jungen Menschen zugerufen. Und ihnen eine «Kirche für alle» vor Augen geführt und beim Kreuzweg einen Gott, der Schuld und Last trägt. Wenn wir aus Furcht vor kirchlicher Schuld zurückschrecken, auch aus Angst vor dem Versagen im Umgang damit, dann berauben wir die junge Kirche ihrer Zukunft.

Wir dürfen Hoffnungszeichen wahrnehmen. Wir dürfen lebendige Kirche leben, überall dort, wo Menschen – ob jung oder älter – in Gemeinschaft unterwegs sind und in ihrer Mitte Raum für das Göttliche schaffen. Aber: Wir kommen um die Krisenbewältigung nicht herum.

Text: Beatrix Ledergerber