Reden – worüber?

Leben in Beziehung

Reden – worüber?

Ich rede gerne, sehr gerne. Doch über was rede ich eigentlich mit meinen Mitmenschen? Sind es Banalitäten des Alltags? Oder lohnt sich mehr Offenheit?

Heute habe ich mit einer Berufskollegin telefoniert, welche ich noch nicht so gut kenne. Da wir uns erst in der Corona-zeit kennenlernten, hatten wir noch wenig Gelegenheit, uns persönlich zu sehen. So haben wir uns heute zu einem nicht-beruflichen Videocall entschlossen und begannen zu sprechen. 

Zuerst über allgemeinere Dinge wie die Jugendarbeit, unsere jeweiligen Pfarreien, die Pläne, das Wetter, die Wohnungssuche. Je länger das Gespräch anhielt, desto offener wurde es. Wir stellten fest, dass wir beide im Alltag Belastendes erleben und das Gefühl haben, damit alleine zu sein; im Sinne von «ich bin die Einzige, die in so einer Situation steckt». Das ermutigte mich, ein Thema anzuschneiden, über das ich bisher kaum mit anderen reden konnte: mein unerfüllter Kinderwunsch. Mit meinen frischen 22 Jahren kenne ich niemanden in meinem Alter, der auch an einem unerfüllten Kinderwunsch leidet (oder eben vielleicht doch, aber ich weiss es nicht?). Ich fühlte mich allein. «Alle anderen mit diesem Problem sind doch schon viiiel älter als ich» – «es nimmt mich doch niemand ernst, so jung wie ich bin». Dank dem Mut, mit meiner Kollegin über dieses Tabu-Thema zu sprechen, erlebte ich überrascht: Ich bin gar nicht allein!

Warum also denke ich, denken wir Menschen, wir müssen immer alles mit uns alleine ausmachen? Ist es das Schamgefühl? Ist es, weil «man» doch nicht über «private» Sachen spricht? Weil man Fragen oder Probleme im Zusammenhang mit Finanzen, psychischer Gesundheit, Sexualität oder eben einem unerfüllter Kinderwunsch – und vieles mehr – besser für sich behalten sollte? So oft schlagen wir uns alleine mit unseren Problemen herum. Wir reden mit unseren Mitmenschen über alle möglichen Banalitäten, doch nicht über das, was uns wirklich beschäftigt.

Ich selbst werde in Zukunft versuchen, mit solchen Themen offener umzugehen. Denn ich habe erfahren: Je mehr ich mich öffne, desto mehr Menschen öffnen sich auch mir gegenüber – und plötzlich bin ich nicht mehr allein. 

Text: Jana Hitz, (22) ist Leiterin der Jugendarbeit in der Gemeinde Herz Jesu Wiedikon